Matth.25,35 Elb. … ich war Fremdling, und ihr nahmt mich auf…

Leidenschaft zum Beruf überlebt Flucht

Geflüchtete Lehrerin gibt Ukrainern Deutschunterricht

Im Frühjahr 2022 wird Mariupol belagert. Svitlana K. und ihr Mann arbeiten beide in dieser Stadt. Sie ist Lehrerin für Deutsch und Englisch, er ist Manager in einem Stahlwerk. Der Krieg findet schon seit Jahren statt aber jetzt ist die Front nur noch wenige Kilometer von ihnen entfernt. Ihr Anwesen in einem Vorort bebt jede Nacht durch Raketeneinschläge.

Sie beschließen in die Stadt zu fliehen, weil es dort noch ruhig ist. Freunde geben ihnen Unterschlupf, doch dann bricht der Angriff auf Mariupol los. Drei Wochen verbringen sie im Keller. Zuletzt trinken sie das Wasser aus dem Heizkörper.

Jeden Tag schauen sie nach ihrem Auto auf dem Parkplatz und sind heilfroh, dass es noch nicht zerschossen ist wie zahlreiche andere Fahrzeuge. Dann kommt die Meldung, die Stadt in einem bestimmten Zeitfenster mit dem Auto verlassen zu können. Sie nutzen die Chance, lassen alles zurück, fliehen aus der Stadt und entscheiden sich, die Ukraine zu verlassen.

An irgendeinem Bahnhof lassen sie das Auto stehen und steigen in den Zug, der sie nach Berlin bringt. Mitten in der Nacht kommen sie an, bringen die Kinder ins Auffanglager und gehen vorbei am Kanzleramt, dem Bundestag zum Brandenburger Tor. Hier im Zentrum der Demokratie spüren sie die Freiheit, die sie sich für ihr Land so sehr wünschen.

Am Ende landen sie in Seckach, von dort aus wird ihnen eine Wohnung in Neckarelz zugewiesen, die der Stadt zur Verfügung gestellt wurde.

Die erste Begegnung mit Svetlana und Sascha K. findet bei einer von Richard Zeier, Verantwortlicher des „Cafè Global“ in der Grace Church Mosbach, angebotenen Stadtführung in Mosbach, statt. „Uns wurde die Schönheit der Stadt, die jetzt unsere Heimat auf Zeit ist, gezeigt und wir haben erfahren, wie viele geflüchtete Menschen in dieser Stadt ihre neue Heimat gefunden haben“ so eine Teilnehmerin.

Diese Begegnung war der Beginn einer erstaunlichen Entwicklung, denn durch das entstandene Vertrauen und die Vernetzung mit den ukrainischen Freunden entwickelte sich ab Dezember 2022 die dauerhafte Einrichtung eines gemeinsamen Mittagessens in der Grace Church. Jeden Mittwoch wird ein Mittagessen angeboten, gekocht von Damen aus der Kirche, sowie auch von Damen aus der Ukraine.

Daraus entwickelte sich die Idee, im Anschluss an das Essen, einen Deutschkurs zu etablieren. Hier war die Leidenschaft von Svitlana K. die entscheidende Kraft. „Ich vermisse es so sehr, dass ich nicht mehr unterrichten kann“, sagte sie einmal. Da die Einrichtungen für den Unterricht in der „Grace Church“ vorhanden waren stand dem Start des Nachhilfeunterrichts nichts mehr im Wege, der Anfang 2023 startete.

Heute kommen nach dem Deutschunterricht in der VHS oder USS die Leute zum Essen und danach zum Deutschunterricht bei Svitlana. Auch ältere Menschen, die keine Sprachförderung bekommen können, profitieren von ihrem Einsatz.

Das Klassenzimmer ist mit 20 bis 30 Schülern gut gefüllt und der zusätzliche Unterricht wirkt sich für die Teilnehmenden positiv auf die jeweiligen Prüfungen und auf das freie Sprechen der deutschen Sprache aus. Geplant sind weitere Unterrichtstage für Kinder, deren Sprachförderung in den Schulen bald ausläuft.

Svitlanas Profilbild auf Whattsapp zeigt sie in einem Klassenzimmer in Mariupol. Zurückkehren wird sie wohl nicht mehr können. Dafür müsste sie eine neue Staatbürgerschaft annehmen. Aber ihre Leidenschaft zu unterrichten hat Grenzen überwunden, denn „Lehren heißt, ein Leben für immer zu berühren“. Ihr Traum ist es, eines Tages hier in Deutschland ihrer Berufung nachgehen zu können. Es wäre eine Bereicherung für alle Beteiligten.